Insight — 17 June 2024
Potenziale und Herausforderungen: die Lage von Herkunftsnachweisen in Deutschland
Pal Habsburg-Lothringen leitet unsere Markteinführung in Deutschland, kürzlich hatte er die Gelegenheit, im Energiezone-Podcast mit Moderator Ilan Momber die Feinheiten des deutschen Herkunftsnachweismarktes (GO/HKN) zu besprechen. In diesem Blog-Beitrag fasst er die wichtigsten Punkte der Diskussion zusammen und zeigen auf, wie Granular Energy auf diese spezifischen Marktbedürfnisse eingeht und hilft sicherzustellen, dass jede Kilowattstunde Ökostrom nachverfolgt wird und wie verifiziert werden kann, dass sie tatsächlich aus einer erneuerbaren Quelle gewonnen wurde.

Den Link zur Aufzeichnung finden Sie hier. For the blog in English, read here.
Überblick über den Ökostromsektor in Deutschland:
Mit einem Stromverbrauch von 515 TWh ist Deutschland der größte Strommarkt in der EU. Im vergangenen Jahr stammten 55 % der Stromerzeugung aus kohlestoffarmen Quellen. Diese Leistung ist besonders beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Deutschland 2011 mit dem Ausstieg aus der Kernenergie begonnen hat und seinen letzten Reaktor im April 2023 abgeschaltet hat. Die erneuerbaren Technologien haben die Lücke erfolgreich geschlossen und sogar darüber hinaus: In Deutschland werden über 31 % der Energie aus Windkraft, 12 % aus Sonnenenergie, 8 % aus Biomasse und 3 % aus Wasserkraft und anderen erneuerbaren Quellen gewonnen.
Während die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland große Fortschritte macht, stehen die Herkunftsnachweise (HKN) vor regulatorischen Herausforderungen. Diese Zertifikate sind der einzige rechtliche Mechanismus, mit dem die Verbraucher nachweisen können, dass sie grüne Energie verbraucht haben. Für jede erzeugte und ins Netz eingespeiste Energieeinheit wird ein Zertifikat ausgestellt. Energieversorger verkaufen neben dem Strom auch diese Zertifikate an ihre Ökostromkunden um nachweisen, dass sie erneuerbare Energie geliefert haben. HKN sind auch der Mechanismus, mit dem Energieverbraucher ihren CO2 Ausstoß im Rahmen des GHG-Treibhausgasprotokolls erfassen können.
Regulatorische Herausforderungen für Herkunftsnachweise
Das deutsche "Doppelvermarktungsverbot" schreibt vor, dass Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, die welche über die EEG Umlage Subventionen erhalten, keine HKN ausstellen dürfen. Mit diesem Verbot soll verhindert werden, dass Betreiber zweimal von einer Förderung profitieren: einmal direkt über die finanzielle Förderung und einmal durch den Verkauf der erzeugten HKN. Da die Einnahmen aus der Subvention derzeit die potenziellen Gewinne aus dem HKN-Verkauf übertreffen, entscheiden sich nur sehr wenige Anlagenbesitzer für die Teilnahme am HKN-System und somit für die Ausstellung von HKN.
Trotz der rund 250 TWh erneuerbaren Erzeugung wurden im Jahr 2023 nur 37 TWh an HKN aus Deutschland ausgestellt. Dem gegenüber wurden HKN im Wert von 185 TWh für Stromverbrauch in Deutschland entwertet. Wie ist dies möglich? Etwa 75 % der in Deutschland entwerteten HKN stammen aus Norwegen, da der HKN-Handel international zulässig ist. Dies übersteigt bei weitem das, was physisch durch das Netz transportiert werden kann, was die Genauigkeit und die Grenzen des HKN-Systems ernsthaft in Frage stellt.
Die Aufhebung des Doppelvermarktungsverbots würde zu einer höheren Verfügbarkeit lokaler HKN und einer geringeren Abhängigkeit von Importen führen. Noch wichtiger ist, dass dies den Anbietern die Möglichkeit geben würde, lokale Energietarife zu schaffen und Anreize für die Entwicklung erneuerbarer Energien in Gebieten zu schaffen, in denen diese verwendet werden.
Was bedeutet eigentlich "Grüne Energie"? Das Transparenzproblem von HKN
Es gibt ein weit verbreitetes Missverständnis darüber, was "100% Ökostrom" bedeutet. Sowohl private als auch gewerbliche Verbraucher glauben oft, dass ihre grüne Energie zum Beispiel aus dem nahen gelegenen Windpark stammt. Bei der Energiebilanzierung kommt es allerdings darauf nicht auf die Distanz zur Anlage an, sondern welches Zertifikat entwertet wurde, meistens ein HKN aus Norwegen.
Abgesehen von der geografischen Unstimmigkeit enthalten HKN keinen Zeitstempel, der angibt, wann die Energie erzeugt wurde. Wenn Sie heute ein Zertifikat kaufen, können Sie zu jeder Zeit des Jahres damit eine äquivalente Menge an Strom als Ökostrom bezeichnen, unabhängig davon, wann der Strom erzeugt oder verbraucht wurde. "Ökostrom", der im November verbraucht wurde, kann mit Zertifikaten verrechnet worden sein, welcher aus einer 2.000 km weiter nördlich gelegenen Wasserkraftanlage stammen, und im Januar erzeugt wurde. Dieses Beispielszenario ist durchaus denkbar, da im Januar in der Regel viel Strom aus Wasserkraft erzeugt wird und die Preise für HKN daher niedriger sind.
Durch das Hinzufügen eines Zeitstempels zu den HKN und die Verkürzung des Abrechnungszeitraums von einem Jahr auf eine (Viertel)Stunde wird das Zertifikatsystem besser an die physische Realität angepasst. Die Änderung muss nicht unbedingt in einem Schritt erfolgen: Die Schweiz stellt 2027 von jährlicher auf vierteljährliche Abrechnung um. Jeder Schritt hin zu kürzeren Abrechnungszeiträumen erhöht die Genauigkeit und somit das Vertrauen der Verbraucher in die Zertifikate.
Granular Energy verbessert den zeitlichen und geografischen Abgleich
Da sich Energieverbraucher zunehmend der Greenwashing-Vorwürfe bezüglich der jährlichen HKN und dem übermäßigen Import bewusst werden, fordern sie mehr Transparenz darüber, woher ihre Energie stammt. Hinzu kommt, dass staatliche Subventionen wie die Strompreiskompensation (die einen monatlichen Abgleich der HKN mit Verbrauch vorschreiben) immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Granular Energy hilft Energieversorgern, die Energieerzeugung und den Verbrauch nach genaueren geografischen und zeitlichen Kriterien abzugleichen. Wir automatisieren auch die Verwaltung der HKN, um die Anforderungen für die Strompreiskompensation sowie Zertifizierungen wie TÜV Nord 1304, TÜV Süd EE01/EE02, ok-power oder individuelle vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen.
Durch die Schaffung dieser Transparenz spielen die Energieversorger eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Investitionen in Anlagen, die erneuerbare Energie dort erzeugen, wo sie verbraucht wird. Dieser Abgleich erhöht nicht nur die Integrität von Ökostrom, sondern fördert auch die Entwicklung nachhaltigerer und lokal erzeugter Lösungen für erneuerbare Energie.
Der räumliche und zeitliche Abgleich bietet viele Vorteile auf Systemebene. Gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, der dena und anderen Akteuren, darunter die HKN, arbeiten wir an einem Projekt für nachvollziehbare Energieversorgung und granulare Zertifikate. Nach einer erfolgreichen ersten Testphase starten 50Hertz und Granular Energy die zweite Phase des Projekts, um den Einsatz von " stündlichen HKN" zu demonstrieren, die Transparenz über die stündliche Herkunft des Stroms bieten.
Wenn Sie sich über das Demonstrationsprojekt informieren möchten oder andere Fragen zu Granularen Zertifikaten in Deutschland haben, wenden Sie sich an pal.habsburg@granular-energy.com.
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